„Warendorf, Stadt an der Ems, Du dreimal Bewahrte, Freundlich grüßt mich Dein Bild früh beim Erwachen schon.“1

Agnes Miegel

1879 – 1964

Warendorf

Literatur/Dichtung

Agnes Miegel, die Tochter eines Königsberger Kaufmanns, wandte sich nach der Ausbildung zur Säuglingsschwester in Berlin 1899/1901 und der Tätigkeit als Erzieherin in England 1902/03 ganz dem literarischen Schaffen zu. 1907 gelang es ihr, sich mit Veröffentlichungen von Balladen und Liedern in der Literaturszene zu etablieren. In ihren sentimentalen Gedichten und archaisch anmutenden Erzählungen verklärte sie ihre ostpreußische Heimat hymnisch. Ihre Beiträge für deutschnational orientierte ostpreußische Zeitungen fanden eine breite öffentliche Resonanz, sie wurde nach dem Ersten Weltkrieg zur „Stimme Ostpreußens“. In dieser Zeit hatte sie auch Kontakte zur sozialistischen Frauenbewegung. Deren finanzielle Förderung lehnte sie allerdings ab: „Ich kann nicht bei rechts angestellt sein und mich von links aushalten lassen.“ 1924 verlieh ihr die Universität Königsberg die Ehrendoktorwürde.

1933 fiel Agnes Miegel die Rolle zu, die Dichtung des „Dritten Reichs“ zu verkörpern, denn ihre ost- und altpreußische Thematik passte in die NS-Blut- und Boden-Ideologie. Die HJ umgab sie mit Verehrung, während sie selbst der NS-Frauenschaft (1937) und der NSDAP erst 1940 beitrat. Neben vielfältigen Ehrungen stiftete die Amtsleitung der NS-Kulturgemeinde eine Agnes-Miegel-Plakette. Miegels Bewunderung für Heine und Werfel sowie Freundschaften mit jüdischen Familien hielten sie nicht davon ab, verklärende Hymnen auf den Krieg und Hitler zu verfassen. Ende Februar 1945 musste sie die Flucht aus Königsberg antreten und erreichte schließlich mit einem Flüchtlingstransport Westfalen-Lippe.

Agnes Miegel reklamierte nun für sich, eine unpolitische Dichterin zu sein, erzielte mit ihren Büchern weiterhin hohe Auflagen und wurde ausgezeichnet. Ihre Lesereise 1949 nach Warendorf fand große Resonanz. Über ihren Besuch schrieb sie einen Essay und widmete später der Stadt mehrere ihrer Werke wie die 1952 geschaffene „Hymne an Warendorf“, die 1954 im Rahmen eines großen Musikfestes zur Uraufführung kam. 1959 wurde die Kreisstadt zum Stiftungsort für die Agnes-Miegel-Plakette, die bis 1993 für Verdienste um die ostdeutsche Kultur und die Integration der Vertriebenen verliehen wurde. Neben Straßennamen im Kreis erinnert eine Bronzetafel am Warendorfer Rathaus an sie.

Agnes Miegels literarische Bedeutung und ihre Stellung in der deutschen Literaturgeschichte waren nach ihrem Tode 1964 umstritten. Mitte der 1980er Jahre entspann sich in Warendorf eine lokalpolitische Kontroverse um ihr Andenken. In ihrer Heimat, im nördlichen Ostpreußen, erlebte ihr Werk seit der Wende 1989 unter der dortigen russischen Bevölkerung eine Renaissance, was bei deutschen Beobachtern, je nach politischem Standort, Überraschung bis Irritation auslöste.2


Jürgen Gojny

1 Mit diesen Worten ehrte die ostpreußische Dichterin Agnes Miegel Warendorf 1952. In: Kreisheimatverein Beckum-Warendorf (Hg.), Jahrbuch des Kreises Warendorf 2008, S.160.
2 Ausführlicher auch: Jürgen Gojny, Agnes Miegel. In: Spuren. Beiträge zur Familienforschung. Münster, April 2008 und ders.: Agnes Miegel und Warendorf. In: Münsterland, Jahrbuch des Kreises Warendorf 2009, Warendorf 2008