1924 wurde in Warendorf der Rat der Stadt neu gewählt. Die Frauen wollten Clara Schmidt ins Parlament entsenden, aber keine Partei verzichtete auf einen Sitz. Daraufhin erstellten Warendorfer Frauen eine Frauenliste mit sieben angesehenen Bürgerfrauen, vorneweg Clara Schmidt. Nach dem Tod ihres Mannes Edmund, Oberlandesgerichtsrat in Karlsruhe, war sie in ihre Heimatstadt zurückgekehrt, und engagierte sich als rührige Vorsitzende des Frauenbundes, die auch politische Themen diskutierte, wie Fragen der Mädchenschulbildung, Jugendfürsorge, Kino, Armenfürsorge, Betreuung der Wöchnerinnen und die neuen Wohlfahrtsgesetze: Es gibt gewisse Dinge, wo ein Frauenzimmer schärfer sieht, als hundert Augen der Mannspersonen!
Für die Frauenliste warb sie mit den anderen Kandidatinnen von Haus zu Haus. Bei den Frauen fanden sie viel Verständnis, die Männer knurrten oft: „Frauen gehören hinter die Kochpötte und sollen lieber auf ihre Kinder aufpassen!“ Der Stadtverordnetenvorsteher verkündete: „Solange ich im Rathaus bin, kommt kein Unterrock ins Stadtparlament!“ Die Kunde von den mutigen Frauen verbreitete sich über ganz Deutschland. Große Zeitungen brachten lange Artikel mit den Schlagzeilen: „Amazonenschlacht in Warendorf! – Da werden Weiber zu Hyänen! – Schmerz, lass nach!“ Ein Londoner Blatt titelte: „Wir beglückwünschen und grüßen die Warendorfer Suffragetten!“
Die letzten Tage und Nächte vor der Wahl waren zermürbend. Flugblätter, auf denen die Frauen lächerlich gemacht wurden, flatterten in die Häuser. Ehemänner wurden bedrängt, ihre Frauen an der Leine zu halten, und Spottgedichte mit Musikbegleitung wurden nachts vor den Häusern der Kandidatinnen gesungen. Am Wahltag, dem 4. Mai 1924, kam die Überraschung: Die Frauenliste errang vier Sitze im Stadtparlament mit Clara Schmidt an der Spitze. Auch nach Amtsantritt mussten sich die Frauen Demütigungen gefallen lassen. In der ersten Ratsversammlung erklärte der Stadtverordnetenvorsteher nach kurzer Beratung: „Ich schließe hiermit die Versammlung und bitte die Herren ins Nebenzimmer.“ Die vier Frauen wurden ausgeschlossen. Zur Fronleichnamsprozession mischten sie sich im Schwarzseidenen und mit weißen Glacéhandschuhen unter die Ratsherren, welch ein Schock! Ihr Kampf machte in ganz Deutschland Schule. Bei den nächsten Wahlen gab es schließlich Listenplätze für Frauen.
Erst 1933 legte Clara Schmidt ihr Mandat nieder – notgedrungen, da Frauen unter den Nationalsozialisten nicht mehr als Mandatsträgerinnen zugelassen waren.