„…wenn mein Wagen wieder läuft“1

Dr. Frieda Schwarz

geb. Bahl | 1887 – 1954

Ostbevern

Politik/Verwaltung
Recht/Rechtlosigkeit

Frieda Schwarz als leidenschaftliche Autofahrerin
Foto: © Archiv des Heimatvereins Ostbevern

In Ostbevern nannte man sie allgemein die Doktersche, die Juristin Frieda Schwarz. 1994, vierzig Jahre nach ihrem Tod, widmete man ihr dort eine Straße, um an ihre Verdienste für Ostbevern gegen Ende des Krieges und in den ersten Nachkriegsjahren zu erinnern.

Zunächst wollte die junge Frieda Bahl Schauspielerin werden, verließ ihre Heimat, den Westerwald, und verbrachte die Zeit des Ersten Weltkriegs in Kalifornien. Zu Beginn der zwanziger Jahre kehrte sie nach Deutschland zurück, studierte Jura in Köln, promovierte in Leipzig und ließ sich nach ersten beruflichen Erfahrungen im Jugendgerichtswesen 1932 in Berlin als Anwältin nieder. Im gleichen Jahr heiratete sie den verwitweten Juristen Dr. August Schwarz, der 1929 beim Oberlandesgericht Hamm zum Senatspräsidenten ernannt worden war, und beantragte ihre Zulassung beim Amtsgericht Warendorf und beim Landgericht Münster.

1944 wurde das Ehepaar Schwarz nach Ostbevern evakuiert – wohl eine glückliche Fügung für das Dorf: Frieda Schwarz war es offensichtlich zu verdanken, dass es Ostern 1945, als der Ort bereits den US-amerikanischen Truppen übergeben worden war, nicht zur Katastrophe für das Dorf kam. Dank ihrer Sprachkenntnisse, ihren Erfahrungen und ihres Verhandlungsgeschicks konnte sie weitere Kampfhandlungen verhindern, vielen Ostbevernern die Kriegsgefangenschaft ersparen, die standrechtliche Erschießung des Dorfpolizisten sowie die Zerstörung des Schlosses Loburg abwenden. Mit List und Einfallsreichtum, so wird erzählt, habe sie einem Erkrankten Pusteln aufgemalt, vor einer ansteckenden Krankheit gewarnt und so betrunkene und randalierende Soldaten von der Loburg vertrieben.
Mit ihrem mutigen Einsatz in den letzten Kriegstagen gewann die Juristin das Vertrauen der Militärregierung, die Frieda Schwarz gemeinsam mit einer weiteren Frau – Maria Pellmann – als erste Frauen überhaupt in den Gemeinderat in Ostbevern bestellte. Darüber hinaus wurde Frieda Schwarz zur Vorsitzenden des Berufungsausschusses für Entnazifizierung im Regierungsbezirk Münster ernannt.

Ihre juristische Dissertation über „Das Handgepäck des Eisenbahnreisenden“ steht noch heute in der Bibliotheca Albertina in Leipzig. Ihre persönliche Vorliebe war – bezogen auf den Titel ihrer Doktorarbeit – aber offensichtlich eine andere: Tante Frieda sei eine begeisterte Automobilistin gewesen, erinnert sich ihre Nichte Gisela. Frieda Schwarz ging nicht nur mit der Zeit und ihren Herausforderungen, sondern war alles in allem wohl eine couragierte Frau, die das Steuer gern selbst in die Hand nahm.


Christa Paschert-Engelke

1 Postkarte an die Nichte Gisela. In: Archiv des Heimatvereins Ostbevern