Seite 7 von 9
„Wo ein altes Gut der Anfang war…“1
Maria Keitlinghaus
gen. Meier Gresshoff | * 1923
Oelde
Wirtschaft/Unternehmen
Maria Meier Gresshoff
Foto: © Renate Ostlender
Im April 1956 brachte Maria Meier Gresshoff Sommerfrische aus ihrem Heimatort Lüdenscheid mit nach Oelde-Keitlinghausen. Und Sommerfrischler und Courage brauchte sie, als sie kurz nach ihrer Heirat einige der vielen leerstehenden Zimmer auf dem Landgut ihres Mannes in Fremdenzimmer umwandelte. Der Fremdenverkehr hatte noch keinen Einzug ins Münsterland gehalten. Doch die junge Frau kannte sich aus, schließlich führten zuhause im Sauerland ihre Eltern einen Gasthof mit Fremdenzimmern. Nachdem sie Werbeanzeigen in der Rheinischen Post und der WAZ aufgegeben hatte, kamen schon zu Pfingsten die ersten Gäste auf das idyllisch gelegene Gut am Rande der Beckumer Berge. Während ihr Mann sich bis heute um die Landwirtschaft kümmert, verwandelte die neue Gastgeberin Zimmer für Zimmer – der Urlaub auf dem Bauernhof entstand.
Nach der allgemeinen Flaute im Regionaltourismus der 70er Jahre, als die Massen via Süden flogen, setzte Frau Meier Gresshoff mit ihrer Initiative Komm aufs Land wieder ein Signal, das für das Urlaubs- und Erholungsland NRW warb. Bis heute ist es eine Dachmarke der Landesarbeitsgemeinschaft, die sie 1982 mitbegründete und deren Vorsitzende sie bis 2006 war. Parallel dazu entstand die Bundesarbeitsgemeinschaft für Urlaub auf dem Bauernhof, deren stellvertretenden Vorsitz sie bis 1997 hatte. 1990 wurde auf dem Hof Meier Gresshoff der europäische Landtourismusverband Eurogites gegründet. Auch hier stand sie in der ersten Reihe, war lange Jahre Präsidentin und Vizepräsidentin. Sie ist eine echte Netzwerkerin. Ihre Netze, von denen alle profitieren, hat sie immer weiter neu geknüpft – auf regionaler, aber auch europäischer Ebene. 1987 wurde sie Mitglied bei ECOVAST – European Council for the village and small town, bis heute arbeitet sie im internationalen Vorstand mit. Für ihren ehrenamtlichen Einsatz bei der Erschließung des Landtourismus in den 90er Jahren im östlichen Europa lud Bundespräsident Herzog Maria Meier Gresshoff zum Neujahrsempfang nach Berlin.
Mehr als 50 Jahre engagiert sie sich unermüdlich für die Förderung des Regionaltourismus. Sie wurde mehrfach ausgezeichnet: 2004 erhielt sie an Ort und Stelle das Bundesverdienstkreuz – auf ihrem Landkomfort-Hotel Meier Gresshoff. Heute ist sie Seniorchefin des Drei-Sterne-Seminar- und Tagungshotels mit 45 Zimmern, Freibad, Tennisplätzen und Wellnessanlage. Die touristischen Potentiale des Münsterlandes hatte sie früh erkannt, und sie weiß, wie wichtig es ist, dafür das kulturelle Erbe, die alten Höfe, die Dorfstrukturen, die Parklandschaft zu erhalten.
Christa Paschert-Engelke
„Eine gute Wahl für Beelen – Ihre Bürgermeisterin mit Verstand, Kompetenz und Herz…“1
Elisabeth Kammann
geb. Große Halbuer | * 1954
Beelen
Politik/Verwaltung
Recht/Rechtlosigkeit
Elisabeth Kammann
Mit diesem Slogan wurde Elisabeth Kammann 2004 zur Bürgermeisterin von Beelen gewählt – als eine von nur 27 Frauen in NRW neben 373 (!) männlichen Amtsträgern. 1994 wurde die sogenannte Doppelspitze mit Stadtdirektor und ehrenamtlichen Bürgermeistern in NRW abgeschafft und spätestens mit der Kommunalwahl 1999 musste der letzte Stadtdirektor seinen Platz räumen. Bevor „Liz“ sich als sogenannte Parteilose in den Chefsessel setzen durfte, war sie über zehn Jahre ehrenamtliche stellvertretende Bürgermeisterin für die Freie Wählergemeinschaft Beelen gewesen und seit 1999 im Kreistag.
Aus einem „katholischen Arbeitermädchen vom Lande“, wie es der Soziologe Ralf Dahrendorf 1965 als Beispiel für sein Postulat „Bildung ist Bürgerrecht“ konstruierte, und das zum Symbol aller Benachteiligungen avancierte, ist heute eine erfolgreiche Frau geworden. Damals war Liz elf Jahre alt und ging gerade zum Mädchengymnasium in Warendorf. Ihr Vater war Arbeiter, die Mutter half beim Bauern in der Nachbarschaft aus. Die Familie lebte in der kleinen Landgemeinde Beelen, Liz wurde katholisch erzogen wie ihre elf Geschwister. Vier Jahre später gründete jene soziologische „Kunstfigur“ die Beelener Damenfußballmannschaft mit und stand bis 1985 im Tor. Zwischendurch hatte sie ihre juristischen Staatsexamen absolviert und ihre Anwaltskanzlei in Beelen eröffnet. Für die Bildungsreformer wäre sie das Vorzeigemodell einer Bilderbuchkarriere gewesen.
Aber Elisabeth Kammann hat in diesen 40 Jahren bundesrepublikanischer Geschichte auch erfahren, wie schwer es immer noch für Frauen ist, sich auf verschiedenen gesellschaftlichen Ebenen zu etablieren, nicht nur in der juristischen Ausbildung. Daher setzt sie auf weibliche Stärken, z.B. auf Sachorientierung, emotionale Intelligenz und – das zeichnete sie vor allem aus – auf Begeisterungsfähigkeit. Eine besondere Kompetenz von Frauen in der Politik sei es, Erste unter Gleichen sein zu können. Auf die Sicherheit, die sie in ihren familiären Netzen erfahren hat, baut sie auch im Beruf. So setzt sie sich z. B. für ein landesweites Netzwerk der Bürgermeisterinnen ein – auch, um das Amt für Frauen attraktiver und erstrebenswerter zu machen.
In ihrem Rathaus herrschen flache Hierarchien. Dennoch ist sie die Chefin – das zeigt u. a. der leuchtendrote Adventskalender im Rathausfoyer, den ihr eine Kindergartengruppe geschenkt hat. Dort guckt sie ganz allein aus dem obersten „Kläppchen“, und der bunte Seidenschal, ihr Markenzeichen, flattert im Wind.
Christa Paschert-Engelke
1 Städte- und Gemeindebund Nordrhein-Westfalen (Hg.) , Städte- und Gemeinderat 11/2005, S. 8
„Müde bin ich, geh zur Ruh, schließe beide Äuglein zu, Vater, lass die Augen dein über meinem Bette sein. 1
Luise Hensel
1798 – 1876
Ahlen
Kloster/Kirche/Religion
Literatur/Dichtung
Luise Hensel, Zeichnung von Wilhelm Hensel 1828
© Kupferstichkabinett Berlin
Als die Dichterin Luise Hensel 1872 nach Ahlen kommt, um bei den Schwestern vom Orden des Hl. Franziskus im Vincenz-Hospital eine Bleibe für den Lebensabend zu finden, hat sie sich diese Ruhe sehnlichst gewünscht. Ihr berühmtes Abendlied dichtete sie aber bereits als 18jährige. Zu dieser Zeit verließ die Pfarrerstochter, gebürtig aus Linum in Brandenburg, Berlin, um zum katholischen Glauben zu konvertieren und in Münster im katholischen Zentrum Westfalens eine neue geistige Heimat zu finden. Zuvor war sie in den Berliner Salons, in den sogenannten romantisch bestimmten Freundschaftskreisen, vielen prominenten Persönlichkeiten begegnet.
Ihr Bruder Wilhelm, der später ein bekannter Maler wird und seine Schwester zeitlebens auch finanziell unterstützt, führt sie in die Gesellschaft ein. Unter anderem trifft Luise dort den Dichter Clemens von Brentano, der wie einige andere um sie wirbt. Später werden sie sich am Krankenbett der Katharina Emmerick in Dülmen wiedersehen. In Münster begegnet sie ihrem späteren Mentor, dem blinden Philosophen Christian Bernhard Schlüter aus Warendorf. Zunächst aber wählt sie den Pädagogen und Theologen Bernhard Overberg zu ihrem Seelenführer. Es folgen unruhige Jahre, in denen Luise als Gesellschafterin, Erzieherin, zeitweilig als Schulleiterin, Krankenpflegerin in Düsseldorf, Boppard, Aachen, Köln ihren Weg sucht. Gleichzeitig pflegt sie weiterhin freundschaftliche Kontakte mit führenden Kreisen des Katholizismus.
Schließlich entscheidet sie sich, ihr Leben Gott zu weihen. Sie legt ein Jungfräulichkeitsgelübde ab, doch ihr Plan, ein eigenes Kloster zu gründen oder zumindest in einen Orden einzutreten, erfüllt sich nicht. Stattdessen wirkt sie an mehreren Ordensgründungen mit. Von 1852 bis 1872 wohnt Luise Hensel in Wiedenbrück. Als ihre Wirtschafterin stirbt, verlässt sie Wiedenbrück Richtung Ahlen. Nur gut ein Jahr verbringt sie hier, „wo ich seit dem 4. Oktober bei den guten Barmh. Schwestern zwei helle, luftige Zimmer bewohne, die mir die Aussicht auf Gärten und Felder gewähren“. Die ersehnte Ruhe und den Frieden findet sie aber in Ahlen im unruhigen Krankenhaus nicht, stattdessen will sie, wenn möglich, noch die Übersiedlung nach Paderborn machen, „weil ich dort ruhiger und in guter geistlicher Pflege würde sterben können“. 1873 zieht sie in den Westphalenhof in Paderborn zu ihrer ehemaligen Schülerin, der Ordensgründerin Pauline von Mallinckrodt.
Obgleich Hensel nur ein schmales Werk hinterlassen hat, gehören ihre Gedichte und Lieder zur bedeutendsten deutschen religiösen Dichtung jener Zeit.
Christa Paschert-Engelke
1 Ihr „Abendlied“ entstand 1817, In: Bund, Ludwig (Hg.), Lieder der Heimath, 1868
„Wir sind gewöhnlich matt und larmoyant, wir deutschen Frauen, wenn wir in gebundener Rede sprechen.“1
Louise von Gall
verheiratete Schücking | 1815 – 1855
Sassenberg
Literatur/Dichtung
Louise von Gall
1852 verlassen das Ehepaar Levin und Louise Schücking, geb. von Gall, die Großstadt Köln, um in das von Schlaun erbaute Herrenhaus neben der Kirche in Sassenberg zu ziehen. Levin schwärmt: „Was die gnädige Frau angeht, so ist es der Mühe wert, sie als Burgfrau zu sehen. Und in der Tat, ein so völliges Ausspannen aus aller Plackerei, Hetzerei einer größeren Stadt ist etwas unbeschreiblich Angenehmes.“ Wie sehr verkennen die beiden die Realität einer Kleinstadt im Münsterland! Die Bevölkerung der ehemaligen Residenzstadt ist arm, Sassenberg liegt abseits. Das neue Gut mit den sandigen Böden und sauren Wiesen bringt nur geringen Ertrag. Oft ist es nasskalt, Umbauten müssen finanziert, vier kleine Kinder ernährt werden. Den Lebensunterhalt bestreiten die beiden weiter aus ihrer schriftstellerischen Tätigkeit.
Neben diesen Sorgen erfährt die protestantisch erzogene, liberal gesinnte und mit einem Bürgerlichen verheiratete Adelstochter Louise Intoleranz und Zurückweisung der Sassenberger und des Adels ringsum. Sie, die hochgebildete, populäre Romanschriftstellerin, Feuilletonistin und Gesellschaftsdame hat reichlich Grund zu seufzen: „Und so lange man Sorgen hat, ist doch das Leben nichts.“
Der Blick zurück fällt auf glanzvollere Zeiten: in die Salons in ihrer Geburtsstadt Darmstadt und in Wien, auf ihre Freundschaften mit den Dichterinnen Adelheid Stolterfoth und Louise von Plönnies und auf den romantischen „Poetensommer“ am Rhein. Angestiftet durch den Dichter Freiligrath lässt sie sich dort 1842 auf einen Briefwechsel mit dem ihr unbekannten Levin Schücking ein, der auf den Tag genau ein Jahr später in eine Hochzeit mündet. Die ersten gemeinsamen Jahre in Augsburg und Köln sind produktiv und turbulent. Louise veröffentlicht zwei Romane, zahlreiche Novellen, einige Theaterstücke, drei ihrer Lustspiele werden in mehreren deutschen Städten aufgeführt.
Die unglückliche Zeit in Sassenberg währt kurz. Drei Monate nach der Geburt ihres fünften Kindes stirbt sie, im 40sten Jahr, vermutlich an Typhus. Gegen ihren testamentarischen Willen wird sie auf dem Sassenberger Friedhof beigesetzt, wo man heute an der alten Grabstelle neben der Kirche einen nachgearbeiteten Gedenkstein findet. Von dort aus blickt man auf Haus Schücking.
Anders als Levin schien die Literaturgeschichte Louise über lange Zeit fast vergessen zu haben. 1847 schreibt Annette von Droste-Hülshoff ihrer Freundin Elise Rüdiger von der Meersburg über die „Schückings“: „Sie wird sehr schön gefunden und in jedem Betracht bedeutender als Er“.2 Erst Ende des 20. Jahrhunderts erscheinen zwei Publikationen, die sich dann ausführlich mit Louise von Galls Leben und Werk beschäftigen. 3
Christa Paschert-Engelke
1 Louise an Levin in einem Brief vom 16. 11.1842, In: Muschler, Reinhold (Hg.), Briefe von Levin Schücking und Louise von Gall, Leipzig 1928, S. 58
2 Brief vom 16. 2.1847, In: Woesler, Winfried (Hg.), Annette von Droste-Hülshoff, Sämtliche Briefe, Tübingen 1987, S. 419
3 Powell, Hugh, Louise von Gall, Her world and work, Columbia 1993 (In Kürze soll die deutsche Übersetzung erscheinen. CPE) und Dierks, Margarete (Hg.), „… denn sie ist ganz natürlich“ – Louise von Gall – aus Biographie, Briefen und Werken; ein Beitrag zur Mentalitätsgeschichte, Darmstadt 1996
„Im Beverbad fing alles an.“
Barbara Ernst
geb. Götker | * 1967
Ostbevern
Sport
Barbara Ernst
Direkt gegenüber ihrem Elternhaus in Ostbevern – sozusagen vor der Haustür – lag das neue Beverbad. Hier begann die nasse und glänzende Karriere der Schwimmerin Barbara Götker.
Erst relativ spät, im Alter von acht Jahren, lernte sie dort schwimmen. Fünf Jahre darauf gewann sie bei den Bezirks-Jahrgangsmeisterschaften in Warendorf in der Disziplin 100 m Rücken ihren ersten Titel als Jugendmeisterin. Die Disziplin 50 m Freistil bringt ihr den ersten und den letzten großen Erfolg: Sie gewinnt die Westdeutsche Seniorenmeisterschaft in Langenfeld 1989 und acht Jahre später 1997 im Rahmen der Schwimm-Europameisterschaften der Senioren in Prag die Goldmedaille; gleichzeitig wird sie mit der Staffel der Warendorfer Sportunion (WSU) erste in der Disziplin 4 x 50 m Freistil gemischt.
Die zweite Disziplin, in der sie überaus erfolgreich war, gehört zum Rettungssport, der – laut Deutscher Lebensrettungsgesellschaft (DRLG) – mehr ist als Schwimmen. Denn je schneller eine Rettungsschwimmerin im Wasser ist, desto besser kann sie in Not geratenen Schwimmern helfen. Trainiert wird dafür zum Beispiel mit Flossen oder mit Rettungsball. Zum Glück musste Barbara Götker ihr Können nie in einer dramatischen Situation unter Beweis stellen. Für sie stand der Sport im Vordergrund. Insgesamt 13 Weltmeistertitel und der erste Platz in zahlreichen nationalen Meisterschaften sind die Erfolgsbilanz ihrer aktiven Zeit als Rettungsschwimmerin der DLRG und als Schwimmerin für den BSV Ostbevern und die WSU.
Währenddessen stellte sie zwei Weltrekorde auf: 100 m Schwimmen und Retten mit Flossen bei der Weltmeisterschaft 1991 in Schweden und in der Disziplin Retten mit Rettungsball bei der Weltmeisterschaft in Lübeck/Travemünde 1990. Es folgte weiterer Glanz: gleich fünfmal Gold mit der deutschen Nationalmannschaft der DLRG bei der Weltmeisterschaft der Rettungsschwimmer in Lübeck/Travemünde in vier Einzeldisziplinen und einer Mannschaftswertung und in Schweden 1991 drei Goldmedaillen und eine Silbermedaille. Im selben Jahr holte sie für den BSV Ostbevern bei den Deutschen Seniorenmeisterschaften in Sindelfingen Gold und Silber, 1992 dann eine Goldmedaille bei der Weltmeisterschaft der Rettungsschwimmer in Japan, eine silberne 1993 bei der Schwimmeuropameisterschaft der Senioren in Sindelfingen für den BSV Ostbevern und eine silberne 1994 bei der Senioren-Weltmeisterschaft in Kanada für die WSU.
Sporadisch beteiligt sich Barbara Ernst noch an diesen Wettkämpfen. So errang die mittlerweile zweifache Mutter 2007 die deutsche Meisterschaft im Rettungsschwimmen im Einzel (Dreikampf) und mit der Staffel der DLRG Ortsgruppe Gelsenkirchen-Buer.
Für ihre erste sportliche Glanzleistung im Freistil zeichnete sie die Gemeinde Ostbevern 1989 mit einer goldenen Ehrenmedaille aus. Den persönlichen Höhepunkt ihrer Karriere bildete die Verleihung des silbernen Lorbeerblattes – der höchsten deutschen Auszeichnung für sportliche Leistungen – durch Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble im Namen des Bundespräsidenten im Jahr 2005.
Christa Paschert-Engelke
„Man muss sich selbst fordern. Alles, was man selbst schafft, macht Mut.“
Hedwig Diers
geb. Tönnissen | 1934 – 1998
Wadersloh
Handwerk/Handarbeit
Landwirtschaft/Natur
Hedwig Diers
Mehr als 30 Jahre setzte sich Hedwig Diers ehrenamtlich für die Weiterentwicklung und die Zukunft des Landfrauenverbandes ein.
Geboren und aufgewachsen ist Hedwig Tönnissen auf dem elterlichen Hof in Wadersloh. Nach dem Studium arbeitete sie für kurze Zeit an der Landwirtschaftskammer in Münster, später dann als Lehrerin an der Berufsschule für Hauswirtschaft in Elsfleth (an der Weser). 1961 kehrte sie in die Heimat zurück und heiratete den Liesborner Landwirt Paul Diers. 1986 wurde sie zur Kreisvorsitzenden des Landfrauenverbandes Warendorf gewählt. Mit ihr rückten nun immer mehr sozial- und gesellschaftspolitische Themen bei den Veranstaltungen in den Vordergrund. So setzte sie sich u.a. für die Ausbildung der Landfrauen zu Familienpflegehelferinnen ein. Endlose Diskussionen auf Orts- und Kreisebene wurden im Verband zu dem neuen Gesetzentwurf zur eigenständigen sozialen Absicherung der Bäuerinnen geführt. Im Januar 1995 wurde dann die Agrarsozialreform wirksam. Nach der Wiedervereinigung beider deutscher Staaten pflegte Hedwig Diers sofort besondere Kontakte mit den Landfrauen in Brandenburg, und zwar in den Orten Wagenitz und Luckau. Mit großer ideeller und finanzieller Unterstützung aller Mitglieder gründete sie 1992 den ersten Landfrauenverband im Kreis Nauen.
Neben ihrem Einsatz im Verband machte sie sich als Gründerin des Liesborner Heimatvereins für Brauchtumspflege und für traditionelle Handarbeiten als besondere Volkskunst stark. Die vier Handarbeitsbücher, die sie selbst herausgab, und mehrere Ausstellungen zeigen die Schönheit und Vielfalt alter und neuer Stickereien. Für ihre Verdienste wurde sie 1991 zum Ehrenmitglied des Heimatvereins in Liesborn ernannt. Ihr textiler Nachlass wird im Museum Abteil Liesborn verwahrt.
Auf Vorschlag der Landwirtschaftskammer wurde Hedwig Diers über gerichtliche Verfahren in Landwirtschaftssachen seit 1985 als ehrenamtliche Richterin beim Amtsgericht Beckum und von 1989 bis 1993 beim Landgericht Münster berufen.
In Anerkennung ihres ehrenamtlichen Einsatzes wurde ihr 1994 die Schorlemer Plakette des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbandes verliehen. Gleichzeitig wurde sie zur Ehrenvorsitzenden des Kreislandfrauenverbandes ernannt.
Hedwig Haarmann
„Moder, de Moder Goddes makt mie de Ogen oppen, wat döet mie dat sachte!“1
Maria Christina Deppen
geb. Wiggelinghoff | * 1754
Beelen/Telgte
Kloster/Kirche/Religion
Telgter Gnadenbild mit Krücken
© Bildarchiv Museum Heimathaus Münsterland/Krippenmuseum, Telgte
Vielleicht war es ein schöner Sommertag, jener 6. Juli 1754, als sich Maria Christina Deppen mit ihrer kleinen Tochter Maria Anna und ihrer 16jährigen Stieftochter frühmorgens von Beelen aufmachte. Ihre Jüngste, die vierjährige Maria Anna, hatte Aussatz im Gesicht, und ihre Augen waren so verkrustet, dass sie blind war. Maria Deppen wollte in Telgte vor dem Gnadenbild der segensreichen „Himmelskönigin“ Maria niederknien und um die Gesundung ihrer Tochter bitten. Kein Arzt hatte zuvor der kleinen Maria helfen können. Frau Deppen war nicht die einzige, die auf ein Wunder hoffte. Sie war eine der Pilgerinnen, die die Marienwallfahrt jener Zeit „zum größten und spektakulärsten religiösen (und weltlichen) Massenereignis in der Geschichte des Fürstbistums“ *2 werden ließen, vor allem aber zu einer wirkungsvollen Demonstration erfolgreicher Konfessionalisierung und absolutistischer Macht. Insgesamt waren bei dieser aufwändigen Inszenierung, die vom 3. (Maria Heimsuchung) bis zum 18. Juli 1754 dauerte, 56 Wallfahrtsprozessionen aus allen Regionen des Bistums unterwegs nach Telgte. Äußerer Anlass war das Jubiläum der Grundsteinlegung der Kapelle, die 1654 für das Gnadenbild gebaut worden war.
Schließlich erreichte Maria Deppen, zwischen den vielen Menschen und Zelten an der 22 Fuß hohen Ehrenpyramide auf dem Marktplatz vorbei, die Schlaun im Auftrag des Fürstbischofs Clemens August entworfen hatte, die Kirche, „allwo die Mutter kaum angelanget ware, da eilete sie mit starken Schritten, damit sie nur geschwind genug Mariä der Gnaden-Mutter ihre Noth klagen. Doch die Kirche war so überfüllt, dass sie mit ihren Kindern zur Kapelle ging, um von der weltberühmten Trösterin der Betrübten in ihrem Unglück Hülff zu suchen“. Und wie sie im Gebet versunken war, so berichtet die Legende, öffnete die kleine Maria ihre Augen und konnte wieder sehen. Der Aussatz verschwand. Dass keine Narben zurückblieben, wurde zusätzlich als Beweis für ein Wunder angesehen. Chirurgen, die das Kind kurz vor und nach der Heilung gesehen hatten, bezeugten es, woraufhin am 29. Juli des Jahres eine Dankfeier vor dem geschmückten Bildnis auf dem Hochaltar der Kirche stattfand. Schließlich wurde das Verfahren der Deppenschen Wunderheilung einige Monate später vor einer vom Generalvikar von Fürstenberg in Münster einberufenen Untersuchungskommission noch einmal aufgerollt, um wirklich sicherzugehen, dass es sich hier um ein Wunder handelte. Schließlich konnten alle Bedenken bezüglich der Krankheit, aber auch des frommen Verhaltens der Maria Christina Deppen ausgeräumt und die Heilung der kleine Maria Anna als Wunder anerkannt werden.
Christa Paschert-Engelke
1 Nitschen, C.P. Beschreibung des funfzehntätigen Grossen Jubel-Festes, Münster 1754.
2 Freitag, Werner, Volks- und Elitenfrömmigkeit in der Frühen Neuzeit, Paderborn 1991, S. 151
„…dar unse convent eern vortganck by kreech“1
Eva Dedinchem
Amtszeit 1459 – 1491
Beckum
Handwerk/Handarbeit
Kloster/Kirche/Religion
Fingerhut, bei Ausgrabungen gefunden, vermutlich älter als Eva Dedinchem
Es stand schlecht um die neue Frauengemeinschaft der 1446 gegründeten Kongregation der „Schwestern vom gemeinsamen Leben“ im „Süsternhus Blumental“, als Eva Dedinchem von Vreden aus dem Schwesternhaus Marienbrink zu Borken 1459 nach Beckum kam. Es war schon das zweite Domizil, das die Beckumer Schwestern bewohnten. Die münstersche Stiftsfehde mit ihren kriegerischen Unruhen hatte die Schwestern 1451 veranlasst, das „süsternhus ton Marienborn“ außerhalb der Stadtmauern zu verlassen und ein Haus nahe der Südpforte in der befestigten Stadt zu erwerben. Es herrschten Not und Hunger, als Eva Dedinchem als Vorsteherin den Konvent übernahm.
Mehr als 20 Süsternhäuser waren seit 1450 in Westfalen entstanden, die der Botschaft der aus den Niederlanden kommenden neuen Frömmigkeitsbewegung, der devotio moderna folgten2. Programm war die Rückbesinnung auf die Bibel, die innere Hingabe an Gott, aber ohne Ordensregel in freier, autonomer Gemeinschaft als dritter Weg zwischen Kloster und Welt. Die Aufnahmekriterien waren – anders als bei den traditionellen Orden und Stiften, wo Stammbaum und Mitgift entschieden – bescheidener: In die Süsternhäuser konnten alle unverheirateten freien Frauen eintreten, sofern sie bereit waren, auf persönliches Eigentum zu verzichten und einen Teil des Lebensunterhaltes selbst zu erwirtschaften, z. B. durch einfache textile Handarbeiten. Eva Dedinchem hatte offensichtlich wirtschaftliches Geschick und Führungskompetenz; unter ihrer strengen Aufsicht wurde bis Mitternacht gearbeitet, um die Schulden abzubauen: „so dat ze des avendes somtyd zeten und arbeydeden hent to der mydder nacht spynnende unde wevende“.
In den nächsten Jahren erweiterte sie das Süsternhaus durch Ankauf um Gebäude, Gärten und Ländereien; Stiftungen und Schenkungen kamen hinzu. Vier Jahre nach ihrem Amtsantritt konnte bereits eine eigene Kapelle eingeweiht werden. Doch ebenso wenig wie ihren Amtskolleginnen in den anderen Schwesternhäusern im Bistum Münster gelang es ihr, die ursprünglich ungebundene Gemeinschaft ohne Ordensregel und Klausur zu erhalten. Schließlich mussten die Beckumerinnen 1464 die Augustinerregel annehmen und begaben sich damit in ein streng kontrolliertes, klösterlich bestimmtes Leben.
Wie groß der Konvent damals war, kann nicht mehr genau bestimmt werden. Immerhin konnten 1467 vier Schwestern das Haus in Beckum verlassen, um ein weiteres Schwesternhaus in Ahlen, Maria Rosa, aufzubauen. Eva Dedinchem starb nach 32 Jahren erfolgreicher Leitung am 20. Dezember 1491. In Erinnerung an Eva Dedinchem und aus Dankbarkeit für ihre hilfreiche Unterstützung feierte man im Schwesternhaus in Ahlen ihre Memorie stets am 18. Dezember.
1812 wurde das Kloster im Zuge der Säkularisierung endgültig aufgelöst.
Christa Paschert-Engelke
1 Chronik des Klosters Blumental, StAM Msc. I, 91 f.2-4 zitiert nach: Kohl, Wilhelm, Germania Sacra, Das Bistum Münster, Berlin 1968, S. 231
Eva Dedinchem war die erste Mutter, die für den Fortbestand des Konvents sorgte.
2 Siehe dazu Paschert-Engelke, Christa, Die religiösen Frauengemeinschaften im Überblick, In: Bistum Münster – Referat Frauenseelsorge (Hg.), „welchen Einfluß das im Christenthume veredelte Weib ausübe – 1200 Jahre Frauen im Bistum Münster, Münster 2005, S. 53 – 65
Dormitorium
Kloster Blumental
„Das politische Amt, die aktive politische Mitarbeit der Frau als praktische Selbstverständlichkeit, hängt nicht nur von der Großzügigkeit der Männer allein ab, sondern wird in hohem Maße von uns selbst bestimmt.“1
Aenne Brauksiepe
geb. Engels | 1912 – 1997
Oelde
Politik/Verwaltung
Aenne Brauksiepe
Foto: © www.bmfsfj.de/bmfsfj/generator/Kategorien/Ministerium/Geschichte
Als Aenne Brauksiepe 1949 in den Bundestag gewählt wurde, gehörte die 37jährige CDU-Politikerin zu den jüngsten der nur 38 Frauen umfassenden Gruppe weiblicher Abgeordneter des ersten Nachkriegsparlaments.
Aenne Engels wuchs in einem Arbeitervorort von Duisburg auf. Nach ihrem Abitur am Oberlyzeum „Unserer Lieben Frau“ in Duisburg arbeitete sie zunächst in der Behindertenfürsorge mit Kindern. Da sie vor allem wegen des Engagements ihrer Mutter in der Zentrumspartei im nationalsozialistischen Deutschland nicht studieren konnte, entschied sie sich 1934 nach Schottland, später in die Niederlande zu gehen, wo sie den Journalisten Dr. Werner Brauksiepe heiratete. Zwischen 1946 und 1948 gehörte Brauksiepe, mittlerweile Mitglied der neu gegründeten CDU und Mutter eines Sohnes, als einzige Frau dem Duisburger Stadtparlament an. 1949 kandidierte sie für den Bundestag, dem sie 23 Jahre angehören sollte. Als ihr Mann 1954 eine Stelle als stellvertretender Chefredakteur der Tageszeitung „Die Glocke“ antrat, wurde sie als Pendlerin zwischen Oelde und Bonn zum „leibhaften Bindestrich zwischen Nordrhein und Westfalen“.
Ihr besonderes Interesse galt neben ihrem breiten sozialpolitischen Engagement der Mitwirkung von Frauen am politischen Aufbau Deutschlands. Bereits seit Jugendjahren Mitglied im Katholischen Deutschen Frauenbund, gehörte sie seit 1952 dessen Präsidium an. Gleichzeitig war sie Mitbegründerin der Frauenunion, der sie zwischen 1958 und 1971 vorstand, und in der sie sich für die berufliche und politische Gleichstellung von Frauen einsetzte. Bereits 1953 wurde sie aufgrund ihres Engagements in den Wahlausschuss ihrer Bundespartei für Frauenfragen berufen, 1956 in den Bundesvorstand gewählt, von 1964 bis 1969 war sie stellvertretende Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und zwischen 1966 und 1969 erstes weibliches Mitglied des Präsidiums ihrer Partei. 1968 übernahm Brauksiepe schließlich als erste Frau das Bundesministerium für Familien und Jugend, in dem sie sich tatkräftig für das Recht der Ehefrau „auf personale und berufliche Entfaltung“ einsetzte.
Für ihre Verdienste, z.B. als Mitbegründerin der Europäischen Frauen-Union und des Familienbundes deutscher Katholiken, wurde sie u.a. mit dem Großen Bundesverdienstkreuz mit Stern sowie dem Päpstlichen Orden „Pro Ecclesia et pontifice“ der Paulus-Plakette des Bistums Münster ausgezeichnet.
Julia Paulus
1 Zit. nach: Geschichte der Frauen Union der CDU/Chronik der Frauen-Union (S. 3: www.frauenunion.de/content/blogcategory/21/68
„Und Schwester Julie muss man näher gekannt haben, um ihr gerecht zu werden.“1
Juliane – genannt Julie – Borges
1846 – 1929
Warendorf
(Aus-)Bildung/Wissenschaft
Kloster/Kirche/Religion
Literatur/Dichtung
Schwester Julie Borges in der typischen Diakonissentracht und mit der weißen Haube
Foto: © Fliedner-Kulturstiftung Kaiserswerth
Zu den schreibenden Frauen des 19. Jahrhunderts aus Westfalen gehört auch die kaum bekannte Julie Borges. Sie wurde am 3. April 1846 in Warendorf als drittes Kind eines Ober-Postsekretärs geboren. Kränklichkeit einerseits und lebhaftes musisches Interesse andererseits bestimmten ihre Jugend. 1864 legte sie ein Lehrerinnenexamen ab, verbrachte anschließend sechs Jahre in England, kehrte als Übersetzerin englischer Literatur und eigenschöpferisch tätige Schriftstellerin nach Münster zurück und wurde 1873 Diakonisse in Kaiserswerth.
Die Mitteilungen der Diakonissenanstalt zu Kaiserswerth von 1930 enthalten einen bisher nicht wahrgenommenen biographischen Abriss und weitere Nachrichten aus ihrem Leben.2 Danach hatte Julie Borges auf Vermittlung ihrer Schwägerin, die Engländerin war, eine Stelle als Privatlehrerin im Hause eines englischen Zeitungsverlegers in Cambridge antreten können, an dessen weltweiten Kontakten die begabte junge Hauslehrerin lebhaften Anteil nahm und von denen sie geprägt wurde.
Als ein Ergebnis dieser geistigen Schulung kann man die Übersetzung des dreibändigen Romans „Tricotrin oder seltsame Schicksale. Roman von Ouida“ sehen, die 1871 in Berlin erschien. Es handelt sich dabei um das seinerzeit oft gelesene, unter einem Pseudonym erschienene Werk „Tricotrin. The story of a Waif and Stray by Ouida (d.i. Marie Louise de la Ramée). Eigene Erzählungen und Novellen veröffentlichte Julie Borges mit beträchtlicher Breitenwirkung im Westfälischen Merkur, im Paderborner Volksblatt sowie in der Osnabrücker und später in der Düsseldorfer Volkszeitung.
In Kaiserswerth wurde sie alsbald Lehrerin für Englisch und Musik an dem mit dem Mutterhaus verbundenen Lehrerinnenseminar. Neben einem besonderen Erzähltalent und ihrer Sprachkompetenz rühmten ihre Schülerinnen ihre große Belesenheit, durch die sie ihnen die bedeutenden Dichter von Shakespeare bis zur damaligen Moderne nahebrachte.
Zeitlebens war Julie Borges eine begnadete Briefschreiberin. So pflegte sie mit Christoph Bernhard Schlüter, dem großen Förderer literarischer Talente in Westfalen, zwischen 1876 und 1882 einen gedankenreichen Briefkontakt.3 Ihre geistige Ausstrahlungskraft wird schließlich durch eine wenig zugängliche Quelle des Wesley Institutes in Ilkley, Yorkshire, aus dem Jahre 1904 bestätigt. Sie enthält auch ihren englischsprachigen Brief über ein Treffen mit der über 80jährigen Florence Nightingale in London, die in Kaiserswerth ihre erste Ausbildung als Krankenschwester erhalten hatte.4
Hoch verehrt verstarb sie am 26. November 1929 im Haus Tabea in Kaiserswerth und wurde, von zahlreichen ehemaligen Schülerinnen begleitet, am 1. Advent beerdigt.
Klaus Gruhn
1 Aus den Erinnerungen ihrer ehemaligen Schülerin und späteren Mitarbeiterin Schwester Emma Deutschbein, In: Anon., Sendschreiben an unsere Lehrerinnen über ihr Amt und ihre Arbeit von der Diakonissen-Anstalt zu Kaiserswerth a. Rh., Nr. 153, (Düsseldorf) 1930, S. 973
2 Ebenda, S. 969 – 979
3 Universitäts- und Landesbibliothek Münster, hs. Nachlass C. B. Schlüter, Briefe J. Borges an Chr. B. Schlüter
4 Anon., Flying Leaves from the Wesley Deaconess Institute, Ilkley Yorkshire, June 1904, p. 87f