Mit siebzehn Jahren kommt Süheda Topcu aus Izmit am Marmarameer nach Deutschland, gemeinsam mit ihrem 15 Jahre älteren Ehemann, der ihr ein Studium versprochen hat – jene Perspektive, die die Familie eher dem kranken Bruder als der begabten Süheda aufzeigt. Das frischvermählte Paar zieht in die Wohnung des Mannes in einem kleinen Dorf bei Schwäbisch-Hall, wo er als ungelernter Arbeiter beschäftigt ist.
Die naiven Zukunftsträume Sühedas verkehren sich schnell ins Gegenteil, sie wird schwanger, von Schule und Abitur ist nicht mehr die Rede, der Ehemann erweist sich als extrem eifersüchtig, setzt seine Interessen mit Gewalt durch, sperrt die attraktive Süheda mit der kleinen Tochter tagsüber ein. Dennoch lernt Süheda Deutsch – mit Hilfe des Fernsehens.
Nach vier Jahren Martyrium schließlich gelingt ihr, unterstützt durch eine Nachbarin, die Flucht nach Stuttgart. Die kleine Tochter ist inzwischen bei Sühedas Familie in der Türkei. Ohne Pass, ohne Arbeitserlaubnis und in ständiger Angst, von ihrem rachsüchtigen Ehemann gefunden zu werden, jobbt Süheda Topcu in Kneipen und Restaurants, bis ihr eine deutsche Arbeitskollegin, die zu ihrer Familie nach Hamm-Heessen zurück will, vorschlägt nachzukommen. 1982 trifft Süheda in Ahlen ein. Sie findet Freunde und Unterstützer, arbeitet weiterhin schwarz. Der damalige Bürgermeister Jaunich setzt sich für sie ein. Mit Hilfe des Petitionsausschusses erhält sie schließlich nach acht Jahren ihren türkischen Pass wieder und eine Aufenthaltsgenehmigung. Süheda heiratet ein zweites Mal, doch ihr zweiter Mann ist alkoholabhängig, nach kurzer Ehe trennt sie sich, bleibt mit dem gemeinsamen Sohn in der Wohnung in Ahlen. Sie erwirbt den Führerschein und macht schließlich mit 40 Jahren ihren Hauptschulabschluss an der Volkshochschule. Ihr erster Mann ist inzwischen tot, ermordet, Gerüchten zufolge von den Brüdern seiner noch verheirateten Geliebten.
Süheda Naisar, in Ahlen kennen sie viele nur unter ihrem „Verstecknamen“ Tülay, weiß wovon die Rede ist, wenn sich Frauen – gleich welcher Herkunft – in Not an sie wenden. Informell und privat engagiert sie sich für Leidensgenossinnen, fährt Frauen ins Frauenhaus oder begleitet sie zur Beratung, stellt Verfolgten und Misshandelten auch schon mal ihr eigenes Bett für eine Nacht zur Verfügung, organisiert Frauengesprächsgruppen, vertritt die Interessen von Frauen aus anderen Kulturen in verschiedenen Gremien, hilft und unterstützt, wo sie kann. Gerne würde sie noch einen Berufsabschluss machen, ein Studium absolvieren – das ist ihr persönlicher Traum.